zur Erinnerung

Wider dem Vergessen

In der Nacht vom 25.08.2018 zum 26.08.2018 wurde ein Mann in Chemnitz "abgeschlachtet".

Messer-Angriff von Chemnitz

Aggressiv, brutal, brandgefährlich: Weltweite Jagd auf Iraker Farhad A. bislang ohne Erfolg

FOCUS-Online-Reporter Göran Schattauer

Mittwoch, 13.11.2019

Er ist einer der meistgesuchten Kriminellen Deutschlands: Der 23-jährige Farhad A. soll im August 2018 gemeinsam mit einem Syrer den Tischler Daniel H. in Chemnitz getötet haben. Dem notorischen Straftäter gelang eine filmreife Flucht, trotz intensiver Fahndung wurde er bis heute nicht gefasst. Sein Gewaltpotenzial war der Polizei bekannt: Bereits 2017 griff er jemanden mit einem Messer an.

Polizei/AdobeStock/iStock/Composing: Sascha Weingartz
Mutmaßlicher Messerstecher von Chemnitz: Der Iraker Farhad A. wird weltweit gesucht.

Knapp 15 Monate nach dem tödlichen Messerangriff von Chemnitz am 26. August 2018 fehlt von einem der beiden Beschuldigten jede Spur. Der gebürtige Iraker Farhad A. hatte sich kurz nach der Bluttat unter dubiosen Umständen aus Chemnitz abgesetzt.

Gericht: Aufenthaltsort des Beschuldigten "nicht bekannt"

"Seitdem ist Farhad A. nicht erreichbar. Gegen ihn wird international mit Haftbefehl gefahndet, bislang ohne Erfolg", konstatiert das Landgericht Chemnitz in seiner schriftlichen Begründung zum Urteil gegen den zweiten Beschuldigten Alaa S. vom 28. Oktober 2019. Wo sich Farhad A. derzeit aufhalte, sei den Behörden "nicht bekannt", heißt es in dem 45-seitigen Dokument, das FOCUS Online vorliegt.

Nach Überzeugung des Gerichts war Farhad A. an dem tödlichen Angriff auf Daniel H. beteiligt. Er soll - ebenso wie der bereits zu langer Haft verurteilte Syrer Alaa S. - auf das 35-jährige Opfer eingestochen haben. Während seiner Flucht vom Tatort habe Farhad A. mit einem Kumpel telefoniert und erzählt, dass er "mit einem Messer gestochen habe".

Auf der Flucht: Mutmaßlicher Täter könnte bewaffnet sein

Zwei Tage später, in den Morgenstunden des 28. August 2018, verließ Farhad A. zusammen mit seinem Bruder und einem Kumpel Chemnitz unter konspirativen Umständen. Das Trio ließ sich in einer Art "Schwarztaxi" nach Leipzig bringen. Im Stadtteil Kleinzschocher verliert sich ihre Spur.

In den ersten Wochen nach der Tat gingen bei der Polizei 42 Hinweise aus dem gesamten Bundesgebiet zum möglichen Aufenthaltsort von Farhad A. ein, der laut Steckbrief "bewaffnet sein könnte".

Hinweise auf mögliche Verstecke im Irak und in der Türkei

Nach FOCUS-Online-Recherchen befand sich unter den Informanten auch ein V-Mann - eine Vertrauensperson - der Polizei, dem strikte Geheimhaltung zugesichert worden ist. Die Quelle teilte den Fahndern mit, Farhad A. und dessen Bruder seien "von einem Polen" aus Deutschland herausgebracht worden und hätten sich in den Irak abgesetzt. Es gibt aber auch Hinweise, nach denen der Beschuldigte in der Türkei sein könnte.

PolizeiMutmaßlicher Messerstecher von Chemnitz: Der Iraker Farhad A. wird weltweit gesucht.
Bamf-Entscheid 2017: Kein Asyl, kein Abschiebungsverbot

Während man im Kreis der Strafverfolger weiter über die Ausreise-Route von Farhad A. rätselt, lässt sich seine Einreise als "Flüchtling" relativ gut nachzeichnen.

Wie FOCUS Online aus Justizkreisen erfuhr, kam Farhad A. mit Hilfe eines Schleppers über die Türkei, Griechenland, Mazedonien und Serbien nach Deutschland. Kurz nach seiner Einreise am 11. Januar 2016 bat er um Asyl. Im Januar 2017 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) den Antrag ab und stellte klar: "Abschiebungsverbote liegen nicht vor."

Verwaltungsgericht: anderthalb Jahre keine Entscheidung

Gegen den Bamf-Bescheid erhob Farhad A. im Februar 2017 Klage beim Verwaltungsgericht Chemnitz. Die dortigen Richter schafften es jedoch auch nach anderthalb Jahren - bis zum Messer-Attentat im August 2018 - nicht, eine Entscheidung zu treffen. Wenige Tage nach dem tödlichen Angriff notierte die Chemnitzer Polizei über den Behörden-Umgang mit Farhad A. in der Vergangenheit: "Aufenthaltsbeendende Maßnahmen (auch Passbeschaffung) wurden nicht durchgeführt ..."

Polizeiakte von Farhad A.: 14 Alias-Namen, viele Straftaten

Während seiner zweieinhalb Jahre in Deutschland beging Farhad A., der über 14 Alias-Identitäten verfügte, etliche Straftaten: Körperverletzung, Drogenhandel, Diebstahl, Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, Beleidigung, Bedrohung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Auch ein Fall von gefährlicher Körperverletzung findet sich in seiner Polizeiakte: Anfang 2017 soll Farhad A. einen Syrer mit einem Messer angegriffen und verletzt haben.

Nach Angaben seiner Kumpels führte der Iraker immer ein Messer bei sich, offenbar auch am Tag des Angriffs auf Daniel H. in Chemnitz.

AdobeStock/iStock/Composing: Sascha Weingartz Vermerk: "Er ist wegen seines Auftretens gefürchtet"

An Hinweisen, dass Farhad A. zu schweren Straftaten neigt und somit brandgefährlich ist, hat es nie gemangelt. Menschen, die ihn kennen, beschreiben ihn als hochaggressiv, unberechenbar, rücksichtslos, ohne Gnade und ohne Gefühle. Er mache alles platt, was ihm im Weg steht. In einem Polizeibericht über Farhad A. ist all das in einem einzigen Satz gebündelt: "Er ist wegen seines Auftretens allgemein gefürchtet."

Dennoch ließen ihn die deutschen Behörden gewähren - bis er selbst die Flucht ergriff.

Im Video: Messerstich am Rücken - Augenzeuge schildert im Prozess die Ereignisse der Tatnacht

FOCUS Online/Wochit
Im Video: Messerstich am Rücken - Augenzeuge schildert im Prozess die Ereignisse der Tatnacht


Quelle: focus.de vom 13.11.2019


© infos-sachsen / letzte Änderung: - 15.02.2023 - 18:48